Jeder weiß, wie dieser Song weitergeht – oder? Dieses Meisterwerk von Udo Jürgens war zumindest akustisch meine erste Begegnung mit Rebensaft aus dem Land, dem wir Demokratie, Theater, Costa Cordalis und Wörter wie „Önologie“ verdanken.
Meine zweite Begegnung: ein Wein namens „Mavrodaphne“, dunkelrot und sehr süß. Den habe ich nach der Probe mit meiner Band immer zum Souvlaki, Bifteki oder Gyros genossen. Ich hatte zwar nicht die Erfahrung, aber immerhin die Ignoranz, mir keine Gedanken darüber zu machen, ob die Vermählung von Essen und Wein gelungen ist. Mir hat’s geschmeckt.
Erleuchtung
2006 bereiste ich berufsbedingt die Kykladeninsel Santorini. Bei einer Weinverkostung der lokalen Genossenschaft „Santo Wines“ schenkte man mir einen Weisswein ein, der meine Sicht auf griechische Weine für immer verändern sollte. Ich hatte eine Art Epiphanie, um es mit einem griechischen Wort zu sagen. Mit salzigen, zitrussigen Aromen und einem dennoch fast unheimlichen Schmelz kam dieser Wein daher! Damit hatte ich, so weit im Süden, nicht gerechnet. Der ideale Wein für die leichte, mediterrane Küche. Vor meinem geistigen Auge tanzte ein Ballett aus gegrilltem Fisch, Oliven, Kräutern und Tomaten (und ein Feta, der nicht immer den Takt hielt). Was ich da trank, war ein „Assyrtiko“, die Paraderebsorte von Santorini. Wahrscheinlich stammt sie sogar von dort.
Wieder daheim hatte ich Schwierigkeiten, guten griechischen Wein zu finden. Das ist heute anders!
Weinpioniere
Wir bieten im Weinhaus Süd seit etwa drei Jahren hochwertige Weine aus Griechenland an. Das ist im Weinhandel immer noch ein kleines Wagnis, da Länder wie Frankreich, Italien und Spanien einen Großteil der vinophilen Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Ironie dabei ist, dass die alten Griechen den Weinbau in die meisten Mittelmeerländer gebracht haben: Römer, Kelten und Iberer haben von den Phokäern (Kolonisten aus einer Stadt in der heutigen Türkei) gelernt, wie man Wein anbaut. Das erklärt vielleicht auch, wieso in Griechenland und Italien Wein und Essen mehr als anderswo zusammengehören. Der griechische Wein verfügt daher oft über eine diesbezüglich hilfreiche Säurestruktur. Die Griechen können also mit Fug und Recht behaupten, seit circa 3000 Jahren im Weingeschäft zu sein. Zum Vergleich: In Bordeaux ging es erst im 12. Jahrhundert richtig los…
Und heute?
Seit dem Ende der Militärdiktatur im Jahr 1974 befindet sich der griechische Weinbau im Steigflug. In Frankreich ausgebildete Önologen, ein allgemeiner Blick über den eigenen Tellerrand und Updates sowohl Weinberg als auch im Keller haben den griechischen Wein ins 21. Jahrhundert katapultiert. Wie in anderen europäischen Ländern hat man zuerst auf „It-Rebsorten“ wie Cabernet Sauvignon, Chardonnay oder Merlot gesetzt – mit unterschiedlichen Ergebnissen.
Heute weiß man den fulminanten Schatz von weit über hundert autochtonen Rebsorten zu schätzen und zu pflegen.
Ein (sehr knapper) Überblick
Wichtige Weinregionen sind, von Nord nach Süd (Aussprache in Klammern, bitte das „r“ schön rollen!):
Naoussa; Makedonien:
Xinomaphro (Ksinomawro) ist die Nummer eins unter den roten Sorten. Geschmacklich bewegt sich diese Traube irgendwo zwischen Pinot Noir und Nebbiolo. Die weiße Sorte Assyrtiko wird auch hier von einigen Gütern kultiviert.
Chalkidiki, Makedonien:
In diesem Teil Makedoniens spielt die weiße Rebsorte Malagousia (Malagusja) die Hauptrolle. Die Sorte ist relativ säurearm, mit Aromen von Aprikose und Pfirsich. Wer denkt hier nicht sofort an Viognier, Marsanne und Roussanne, die Weißen von der nördlichen Rhône? Aufgrund ihrer Eigenschaften wird Malagousia gerne mit der oben beschriebenen frischen, zitrusaromatischen Assyrtiko verschnitten. Die rote Hauptsorte Limnio, verantwortlich für angenehm rustikale, körperbetonte Weine, wird gerne mit anderen roten Sorten wie Mavrotragano und Mavroudi kombiniert.
Nemea, Peloponnes:
Agiorgitiko (Ajorgitiko) ist hier die Hauptsorte für Rotweine. Sie ergibt dichte, körperreiche Weine, vergleichbar mit Weinen aus dem südlichen Frankreich (z.B Roussillon). Weissweine werden hier oft aus der Sorte Moschofilero (Moskofilero) bereitet. Das blumige Bouquet lässt an Gewürztraminer oder Muscat denken.
Kreta:
Kreta liegt näher an Afrika als an Athen. Die Insel hat ein sehr heißes, trockenes Klima. Hier spielen autochthone Sorten wie Liatiko (rot) und Vidiano (weiß) eine große Rolle.
Santorini:
Wie bereits erwähnt, ist die weiße Rebe Assyrtiko auf Santorini der Star. Es gibt kaum etwas besseres zu leichter, mediterran beeinflusster Küche. Hier nochmals die wichtigsten Sinneseindrücke: Zitrus, Limette, Grapefruit, salzig, frisch, mittel-gewichtig, Schmelz.
Lasst uns über Retsina reden!
Zum Schluss möchte ich noch über Retsina sprechen. Er war wahrscheinlich der meistgetrunkene griechische Wein in Wohngemeinschaften der Sechziger bis Achtziger Jahre, so zumindest meine (höchst subjektive) Einschätzung ;-) Ein önologischer Quastenflosser: Weißwein aromatisiert mit Kiefernharz. Er wird auch heute noch in der Region Attika, rund um Athen aus der Rebsorte Savatiano hergestellt. Die gute Nachricht ist die: Heutiger Retsina ist, vorausgesetzt er wurde von respektvollen und gleichermaßen kompetenten Winzern gemacht, eine hocharomatische Spezialität. War er früher höchstens eine Begleitung zum Lesen der TAZ, ergänzt er in seiner heutigen Inkarnation aufs Trefflichste Speisen wie gegrilltes Hühnchen oder orientalisch gewürzte Fischgerichte .
Aus jeder der beschriebenen Regionen und Rebsorten können wir Euch Weine anbieten!
Höchste Zeit, vom „Blut der Erde“ zu kosten. Yamas! :)
-Stephan Scheuss, 2020